Die schönsten deutschen Heimatsagen 

Der Leichnam des heiligen Reinold

Die Dortmunder hatten von Köln einen heiligen Leichnam erbeten, um über ihm eine Kirche zu erbauen. Um diese Zeit war in Köln von neidischen Steinmetzen der heilige Reinold erschlagen und im Rhein versenkt worden. Der alte Kriegsheld war nämlich unerkannt Steinmetz geworden und hatte den Neid seiner Genossen in dem Grade geweckt, daß sie ihm das Leben nahmen. Zeichen und Wunder führten zur Entdeckung des heiligen Leichnams und des Standes, den er zu Lebzeiten eingenommen. Die Kölner beschlossen nun, den Dortmundern den Heiligen zu schenken. Die Dortmunder sandten demzufolge einen mit zwei Rossen bespannten Wagen gegen Köln, auf welchen die heilige Leiche alsbald geladen wurde. Auf den Ruf des Fuhrmanns zogen die Rosse frisch an, vermochten aber den Wagen nicht von der Stelle zu bewegen. Auf den Rat der Umstehenden spannte man noch zwei frische Gäule vor und trieb diese mit gewaltigen Peitschenknallen an, aber vergebens. Sechs Pferde vermochten ebensowenig den Wagen zu rühren. Als man nun sogar acht Rosse vorgespannt und angetrieben hatte, ohne daß ein Rad sich bewegen wollte, wurden die ßortmunder traurig und glaubten, daß ihnen der heilige Leichnam vom Himmel nicht beschieden sei, daß derselbe in Kölnischer Erde ruhen solle. Wie sie nun noch dastanden, die Köpfe hängen ließen und keinen Rat wußten, da kam eine alte Frau des Weges und sah das vergebliche Bemühen und riet den Leuten, den ganzen Troß der Pferde auszuschirren, dafür nur zwei Kühe einzuspannen. Man wollte kein Mittel unversucht lassen, holte in der Nähe von einem Bauernhofe zwei milchweiße Kühe. Diese spannte man vor den Wagen, und alsbald bewegte er sich fürder. Die Kühe zogen dann ohne sonderliche Mühe den Wagen durchs Gebirge bis nach Dortmund.